Webermuseum
Die Intention zur Einrichtung eines WEBER-MUSEUMS in Lindenberg inspirierte folgender historischer Hintergrund:
In Lindenberg existierten einst drei Tuchfabriken, die 1823 errichtete "Untere Tuchfabrik" beim Nonnental, auch als "Alte Maschine" bezeichnet, dann die 1832 erbaute "Mittlere Tuchfabrik" im Bereich der heutigen Industriebrache "Knoeckel, Schmidt", auch "Neue Maschine" genannt, sowie die 1836 nur unweit oberhalb letzterer aufgestellte "Obere Tuchfabrik", welche auch als "Schloßmaschine" aufgeführt ist
Obwohl im Bayerischen Urkataster als "Tuchfabriken" kartographiert, handelte es sich bei den drei Lindenberger Fabriken ursprünglich primär um mechanische "Spinnereien", denen z. T. "Walkerei", "Färberei" und "Appretur" (letztere als Tuchveredelung im engeren Sinne) angegliedert wurden.
Nur die "Untere Tuchfabrik" wurde später ihrem eigentlichen Namen gerecht, als sie aus dem genossenschaftlichen Besitz der Lambrechter Tuchweber an die Gesellschafter Hellmann und Kölsch überging und so zur "Hellmann & Kölsch, Tuchfabrik" wurde. Deren zweitgenannter Gesell-schafter, mit vollem Namen Emil Jakob Kölsch, war nach Eintragungen im alten Adreßbuch von Neustadt an der Haardt als Tuchfabrikant in Lindenberg, an der Staatsstraße 87 (1894) bzw. Staatsstraße 7 (1901), wohnhaft.
Die "Tuchfabrik" von Hellmann und Kölsch brannte 1906 nieder, was beide Gesellschafter in den Konkurs trieb. Nach ihrem Wiederaufbau bezog sie 1907 die Firma Friedrich Meier, die darin eine "Färberei" (in Subfunktion der Tuchmacherei!) sowie eine Chemische Reinigung betrieb. Das Schicksal hatte für die beiden übrigen "Tuchfabriken" schon zuvor bestimmt, daß die "Mittlere Tuchfabrik", nach einem Schadfeuer 1885, zur Papiermühle mit sukzessivem Ausbau zur Papierfabrik umfunktioniert wurde und die "Obere Tuchfabrik" (von Gottlieb Klein) 1888 einem Brand zum Opfer fiel und danach völlig abging.
Errichtet wurden die drei Lindenberger "Tuchfabriken" im Zuge der Industrialisierung einer ursprünglich manufakturmäßig betriebenen Tuchmacherei im von Lindenberg unmittelbar westlich gelegenen Nachbarort Lambrecht. Dort hatten um 1565 wegen ihres Glaubens verfolgte Wallonen Zuflucht genommen und als exzellente "Wüllenweber" (Wollweber) das Handwerk der Tuchmacherei etabliert. Es sollte in Lambrecht zu hoher Blüte streben und dort zur Grundlage einer 400jährigen Wirtschaftsgeschichte der Tuchmacherei werden, in der Lambrecht zu einem bedeutenden Pfälzer Tuchindustriezentrum aufzusteigen vermochte, was der Stadt auch den ehrenvollen Beinamen "Tuchmacherstadt" verlieh.
Allgemein stand dem Aufstreben der vorindustriellen Tuchmacherei lange Zeit eine "Garnnot" entgegen, wie mit diesem Ausdruck der häufige Mangel an Garn umschrieben wurde. Der Grund hierfür war, daß die Tuchmacher das Garn beim Weben am Webstuhl viel schneller verarbeiteten, als dieses mit dem Spinnrad gesponnen werden konnte. So gab es immer wieder Zwangspausen beim Weben. Abhilfe brachte die Erfindung der "Spinning Jenny", der ersten Spinnmaschine in England (1774), die hundertemal mehr Garn zu spinnen vermochte, als dies mit dem Spinnrad möglich war. So daß von nun an die Weber ohne Unterbrechung ihrem Handwerk nachkommen konnten.
Diese Entwicklung bedeutete einen Quantensprung in der Tuchmacherei, indem hiermit deren Industrialisierung erst ermöglicht wurde. Um dabei Schritt zu halten, errichteten die Lambrechter Tuchweber in Lindenberg ihre ersten mechanischen Spinnereien (s.o.), ausgerüstet mit der neuen Spinntechnik aus England, die so dann auch die Industrialisierung der Lambrechter Tuchmacherei wesentlich beförderten.
Daß die Lindenberger bei der Einrichtung dieser ersten Spinnmaschinen den Vorzug erhielten, hatte gewiß mehrere Gründe. Einer könnte gewesen sein, daß die Lindenberger schon vor der Errichtung der Spinnmaschinen als Spinner für die Lambrechter Tuchmacher Garn spinnten, um deren "Garnnot" zu lindern. Womit die Lindenberger "Spinnerfahrung" besaßen und so als Mitarbeiter für die neuen Spinnereien prädestiniert waren. Wobei den Lindenbergern eine vorherige öffentliche Verordnung dazu verholfen hat, wodurch diese zum Spinnen von Garn verpflichtet wurden, dazu von den Lambrechter Tuchwebern zur Verfügung gestellte Spinnräder übernehmen mußten und diese aus dem für ihr gesponnenes Garn erzielten Lohn dann auch bezahlen durften!
Mit der Errichtung der Spinnereien in Lindenberg hatte dieses jedenfalls seinen Aufstieg zum "Tuchmacherdorf" genommen, in dem allen Schritten der Tuchmacherei nachgegangen wurde, dem Spinnen, Weben, Walken, Färben und mehr. Allein in den beiden Spinnereien der Unteren und Mittleren Tuchfabrik fanden 60 bis 80 Lindenberger Lohn und Brot, wobei die Anzahl z. T. noch höher angesetzt wird. Ein Segen für das zuvor nahezu gewerbelose Lindenberg!
Während in Lambrecht die Tuchmacherei eine vier Jahrhunderte währende Wirtschaftsgeschichte schrieb, profitierte Lindenberg nur knapp über acht Jahrzehnte vom Status des "Tuchmacherdorfs". Dennoch war die Lindenberger Tuchmacherei sehr bedeutsam für die Wirtschaftsgeschichte des Dorfes. Zumal nach dem Abgang der drei Lindenberger Tuchfabriken an deren Stelle neue Betriebe nachfolgten, die teils in Subfunktion des Tuchmachens für weitere Betriebsamkeit sorgten.
So greift das WEBER-MUSEUM in Lindenberg in seiner musealen Präsentation die "400jährige Geschichte der Tuchmacherei im Lambrechter Tal" auf. Um zum einen damit auch die vor 450 Jahren nach Lambrecht migrierten Wallonen zu würdigen, durch deren handwerkliches Können, großen Fleiß und Unternehmergeist, die maßgebliche Grundlage hierfür geschaffen wurde. Was auch hinsichtlich der drei Tuchfabriken in Lindenberg absolut zutrifft. Denen zum andern das WEBER-MUSEUM in Lindenberg auch speziell gewidmet ist, um die Erinnerung an diese vor dem Verblassen zu bewahren!
Mit dieser Thematik, aber auch mit der damit einhergehenden allgemeinen Einlassung auf die handwerk-liche Tuchmacherei bis zu deren Industrialisierung, präsentiert sich das WEBER-MUSEUM in Lindenberg als über die Region hinaus einzig in seiner Art!
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